Aus seinem Befund wird nicht jeder Patient auf Anhieb schlau. Wer allerdings nicht weiß, was er hat, kann im Arztgespräch auch nicht die richtigen Fragen stellen und sich schlechter entscheiden. Deshalb bietet washabich.de seit 2011 verständliche Erklärungen medizinischer Befunde. Dieser vielfach ausgezeichnete Service ist für Patienten kostenlos, denn im Hintergrund der Website arbeiten hunderte Medizinstudierende (ab dem achten Fachsemester) und Ärzte ehrenamtlich für eine bessere Kommunikation zwischen Arzt und Patient. Mehr zum Angebot von washabich.de verrät Pressesprecherin Beatrice Brülke im Interview.
AllProMed: Wie ist die Idee zu washabich.de entstanden?
Beatrice Brülke: Drei Gründer, die beiden Medizinstudierenden Anja und Johannes Bittner und der Diplom-Informatiker Ansgar Jonietz, haben zusammengesessen, und Anja berichtete davon, dass sie von einer Bekannten gefragt wurde, ob sie einen Befund übersetzen kann. Mediziner kennen diese Anfragen, auch schon als Studierende. Aber was machen eigentlich diejenigen, die keinen Mediziner im Bekanntenkreis haben? Das haben sich die drei Gründer gefragt und dann gedacht, "machen wir doch mal eine Plattform". Das war am 11. Januar 2011. Und schon am 15. Januar 2011 ging das Portal washabich.de online. Sie haben dann in ein paar Patientenforen davon berichtet – und nach 12 Minuten kam der erste Befund! Nach knapp vier Wochen waren's dann schon 500 Befunde. Die drei Gründer wussten ja gar nicht, ob überhaupt ein Bedarf da ist. Ja, das ist er: Bis heute wurden 38663 Befunde übersetzt.
Wie funktioniert washabich.de konkret?
Wir haben eine Warteliste, die wie ein Wartezimmer jeden Morgen um sieben Uhr öffnet. Patienten können sich mit ihrer E-Mail-Adresse "reinsetzen". Sobald die Warteliste voll ist, schließt das Fenster erstmal. Aber man hat jeden Tag wieder eine neue Chance. Dann dauert es etwa ein bis drei Tage bis Patienten eine E-Mail bekommen mit einem Link zum Einsendeformular. Dort können sie ihren Befund hochladen. Als einzige Angaben benötigen wir das Geburtsjahr und das Geschlecht – einfach, weil es einen Unterschied macht, ob von einem älteren Mann die Rede ist oder von einem Mädchen. Die Patienten laden ihre medizinischen Befunde, zum Beispiel von MRT- oder CT-Untersuchungen, über eine sichere Verbindung hoch und erhalten am Ende den Link zur leicht verstädlichen Übersetzung per Mail zugeschickt. Auf unserer internen Plattform können sich die Mediziner die Befunde dann ansehen und in der integrierten Übersetzungsansicht bearbeiten. Die Ehrenamtlichen unterstehen nicht nur unserer Datenschutzpflicht, sondern auch der ärztlichen Schweigepflicht.
Was wir nicht machen, ist, eine Diagnose zu stellen oder eine Behandlungsempfehlung zu geben. Das heißt, wir interpretieren die Befunde nicht. Wir versuchen im Gegenteil, das Arzt-Patienten-Verhältnis zu unterstützen, indem wir Patienten alle Informationen an die Hand geben, die sie brauchen, um bewusste Entscheidungen zu treffen, um sich an den Therapieplan zu halten und um sich gesundheitsbewusster zu verhalten. Das erfolgt komplett anonym. Wir bitten die Patienten daher, alle persönlichen Daten, etwa Anschrift, Geburtsdatum oder Name des behandelnden Arztes, zu schwärzen und so unkenntlich zu machen.
Wie viele Studierende und Ärzte beteiligen sich ehrenamtlich?
Mittlerweile haben wir schon 1896 Mediziner erreicht. Den Gründern war von Anfang an ganz wichtig, sie darauf vorzubereiten, dass sie wirklich gut darin sind, leicht verständlich zu erklären – weil sie das eigentlich im Studium nicht lernen. Wenn jemand aber einmal dafür sensibilisiert wurde, wie ein komplexes Thema leicht verständlich erklärt werden kann, dann macht er das hoffentlich sein ganzes Berufsleben lang. Deshalb haben wir diese Kommunikationsausbildung entwickelt und entwickeln sie auch immer weiter. Jeder, der sich ehrenamtlich bei uns meldet, durchläuft diese Ausbildung und schließt sie mit Zertifikat ab. Außerdem gibt es an der Dresdner Universität "Was hab' ich?" auch als Wahlfach.
Welche Vorteile hat es, als Arzt mit Patienten leicht verständlich und somit auf Augenhöhe zu kommunizieren?
Das Gespräch ist effektiver: Wenn der Patient besser versteht, kann er auch gezielter Fragen stellen. Außerdem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass er sich an seine Therapie hält, wenn er weiß, warum er etwas machen soll. Die fehlende Therapietreue ist in Deutschland ein riesengroßes Problem, das unter anderem Folgekosten nach sich zieht, die sich so verringern lassen.
Die heutige Patientengeneration ist mündiger geworden. Erklären Sie sich das auch durch die zunehmende Digitalisierung?
Da kommen viele Faktoren zusammen, aber sicherlich hat es auch mit der zunehmenden Digitalisierung zu tun. Patienten haben heute die Möglichkeit, sich ständig und überall zu allen möglichen Themen zu informieren. Allerdings weiß jeder, der schon einmal eine Krankheit gegoogelt hat, dass dies auch unangenehm werden kann. Der Wandel, dass Ärzte nicht mehr als "Halbgötter in Weiß" wahrgenommen werden, zieht sich aber schon seit vielen Jahren hin. Patienten wollen immer mehr mitentscheiden, zum Beispiel im Falle einer bevorstehenden Operation. Außerdem ist derzeit ein großer Gesundheits- und Fitnesstrend festzustellen. Viele Menschen leben einfach bewusster.
Ist der Wandel, der sich da vollzieht, bei den Ärzten ebenso zu bemerken?
Grundsätzlich ja. Die Ärzte begrüßen die Entwicklung schon und wissen, wie wichtig das große Thema "Gesundheitskompetenz" ist, das in Deutschland erst seit ein paar Jahren immer mehr beachtet wird. Wir von washabich.de werden zum Beispiel auch von Anfang an ideell von Mediziner-Verbänden wie dem Marburger Bund oder dem Hartmannbund unterstützt.
Ihr Angebot beschränkt sich nicht auf washabich.de, es gibt auch unter befunddolmetscher.de eine Online-Erklärungshilfe für einzelne Begriffe ohne Wartezeit. Was ist noch in Planung?
washabich.de ist sozusagen unser Herzstück – mit der Medizinerausbildung, die uns sehr, sehr wichtig ist. Es ist aber auch mit sehr viel Arbeit verbunden: Wir rechnen mit durchschnittlich fünf Stunden für die Übersetzung einer Befund-Seite. 38663 Befunde, die wir bisher übersetzt haben, sind zwar viel, aber es gibt ja noch sehr, sehr viel mehr Patienten in Deutschland, denen wir vielleicht helfen können. Als gGmbH mit neun hauptamtlich tätigen Mitarbeitern in Dresden versuchen wir, das Bestmögliche zu bewirken und hatten nun die Idee, dass man direkt nach einem Krankenhausaufenthalt zusätzlich zum Entlassbrief für den Arzt auch einen Patientenbrief bekommt. Darin wird verständlich erklärt: Warum war ich eigentlich da? Welche Diagnosen wurden gestellt? Welche Untersuchungen wurden gemacht? Welche Medikamente muss ich jetzt nehmen? Welche sind die nächsten Schritte? Damit man vielleicht gar nicht in die Verlegenheit kommt, seinen Befund nicht zu verstehen und den dann unter washabich.de einsenden zu müssen. Diese Patientenbriefe haben wir gerade sehr umfangreich an einer Pilotklinik getestet. Die Ergebnisse werten wir gerade aus, und arbeiten in einem Folgeprojekt an der Entwicklung einer Software, die Patientenbriefe auf Basis strukturierter Daten komplett automatisiert erstellt. Das heißt, in der Klinik steht dann ein Drucker und derjenige, der den Patienten entlässt, drückt auf einen Knopf und erhält automatisch einen Patientenbrief zum Mitgeben. Daran arbeiten wir gerade, und das Ziel ist, dass es irgendwann in jeder Klinik in Deutschland genutzt wird.
Viel Erfolg und herzlichen Dank für das Gespräch!